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13.12.2006

Überflüssiger Wirbel um Forresters iTunes Store-Bericht [Update_2]

Forrester-Analyst Josh Bernoff veröffentlichte vergangene Woche einen 14-seitigen Bericht mit dem sanften Titel "Few iPod Owners Are Big iTunes Buyers", der Altbekanntes mit aufgefrischten Zahlen untermauert: Nur wenige iPod-Besitzer werden gleichzeitig zu Großeinkäufern im iTunes Store.
Bernoffs Analyse stützt sich auf 2791 US-Kreditkartenkäufe im iTunes Store (verteilt über einen 27-monatigen Zeitraum von April 2004 bis Juni 2006) und Apples Pressemeldungen zu iTunes Store und iPod-Verkäufen.
Über die Kreditkartentransaktionen ermittelte er folgendes: Während im April 2004 nur 2 aus 1000 Haushalten im iTunes Store für rund 3,50$ einkauften, waren es im Januar 2006 beinahe 17, die für knapp 7$ einkauften. Bis Juni 2006 fiel diese Zahl wohl auf ca. 8 Haushalte, die für rund 5,50$ Musik über den iTunes Store bezogen. Setzt man diese wenig ernstzunehmenden Mini-Fallzahlen in Prozentwerte um, dann klingt das hochdramatisch, denn die Transaktionen sanken um 58%, die durchschnittlich ausgegebene Geldmenge pro Einkauf um 17% - unterm Strich nach dieser Rechnung also 65% weniger Umsatz für den iTunes Store. Bernoff selbst gab zu Protokoll, man solle aus diesen Zahlen nicht allzu viel herauslesen, der Rückgang könne durchaus auf saisonale Gegebenheiten zurückzuführen sein. Dramatisierende Headlines über die angeblich einbrechenden Verkaufszahlen des iTunes Store konnten damit allerdings nicht mehr abgewendet werden.
Apple meldete sich inzwischen auch zu Wort und verkündete, dass die Annahme sich abschwächender Verkaufszahlen im iTunes Store schlicht inkorrekt sei, sparte sich allerdings erhellende Zahlen zur Diskussion beitragen. Tatsächlich stagnierte der US-Online-Musikmarkeit laut Zahlen von Nielsen Soundscan in den ersten drei Quartalen 2006 und mit dem brachialen Marktanteil des iTunes Store irgendwo um die 80% dürften die leicht rückläufigen (quartalsweise betrachtet) Verkaufszahlen (zumindest in den USA) auch an Apple nicht vorbeigehen.

Die zweite "Erkenntnis" des Forrester-Berichts ermittelte Bernoff einmal mehr aus Apples Pressemeldungen (und nicht wie z.B. bei heise im gleich ersten Satz gnadenlos falsch mit den Kreditkartendaten vermengt). Dafür wird einfach die Zahl aller im iTunes Store verkauften Songs durch die Zahl aller verkauften iPods geteilt und es kommt über die vergangenen Jahre hinweg ziemlich konstant ca. 20 heraus. Daraus darf man durchaus folgern -wie Bernoff es tut-, dass der iPod aus seinen Käufern nicht automatisch iTunes-Konsummonster erschafft, sondern diese genug Musik aus diversen anderen (und durchaus legalen) Quellen zur Verfügung haben, um ihren iPod zu befüllen. Für mehr als eine über den Daumenschätzung sollte man diese simple Bruchrechnung allerdings grundsätzlich nicht hernehmen.

Apple selbst wiederholt seit Jahren gebetsmühlenartig, dass der iPod nicht dafür gedacht sei, die Verkäufe des iTunes Stores anzukurbeln, sondern genau umgekehrt: Das bequeme 24/7-Angebot an Musik soll den Kauf eines iPods attraktiver machen. Und ebenso gebetsmühlenartig wird wiederholt, dass der iTunes Store knapp schwarze Zahlen schreibt (genaue Angaben rückte Apple dazu bislang nicht heraus). Bernoffs Erkenntnisse sind -soweit man von deren Stimmigkeit ausgeht- in erster Linie bedenkenswert für die Musikindustrie - vielleicht hat DRM-verkrüppelte digitale Musik in moderater Qualität tatsächlich ihren Nachfrage-Höhepunkt überschritten.

Update: Um die Zahlenschinderei auf den Höhepunkt zu treiben, äußerte sich heute noch Piper Jaffray-Analyst Gene Munster zu der Debatte, der wiederum starkes Wachstum im iTunes Store gefunden haben will. Munster analysiert allerdings auf komplett anderem Wege: Er schnappte sich ebenfalls Apples iTunes Store-Downloadzahlen aus den Pressemeldungen und verglich nach der Anwendung von allerhand Grundrechenarten die (wohlgemerkt internationalen) wöchentlichen Musikdownloadzahlen von Januar bis September 2006 mit denen aus dem selben Zeitraum 2005. Danach hatte der Store um 78% zugelegt (10,4 Millionen Songs wurden 2005 pro Woche verkauft, 18,5 Millionen 2006). Munsters Zahlen hinken allerdings ebenfalls gehörig, schließlich wurde z.B. der iTunes Store Japan erst im August 2005 eröffnet und schon alleine damit lässt sich ein schöner prozentualer Zuwachs übers Jahr gesehen aus den Zahlen zusammensaugen.

Update_2: Im Forrester-Blog erklärt Josh Bernoff seinen Bericht, sich selbst und die absurden Presse-Reaktionen. Ein Mitanalyst setzt in den Kommentaren den "Verkaufseinbruch" um 65% in ein geeignetes Verhältnis: So sanken der iTunes-Umsatz nach der Forrester-Kreditkartenauslese von Januar bis Juni 2005 um 39% - wobei der Umsatz im Januar 2005 höher lag als im Januar 2006 und der Umsatz im Juni 2005 gleich mehr als doppelt so groß war als im Juni 2006. Schlussfolgerung: iTunes-Wachstum hat sich verlangsamt bzw. stagniert (in den USA). Dies lässt sich aus den oben bereits erwähnten Nielsen Soundscan-Zahlen ebenfalls herauslesen.

Posted by Leo at 13:47 | Permalink

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