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13.12.2007

Apple als Massenprodukt und stolpernde Spiegel-Online-Autoren

Vor Jahren noch war die Welt einfach. Spiegel-Online-Artikel zum Thema Apple wälzten sich grundsätzlich in unendlichen Unzulänglichkeiten, bis sich dies mit Apples fortschreitendem Erfolg plötzlich änderte. Aus den dortigen Artikeln verschwanden die Fehler, gewitzte Analysen folgten auf schlaue Feststellungen und mancher gab sich gar euphorisch. Doch nun, endlich, ist alles wieder beim alten Alten. Kloppen und Klicken bleibt am Ruder. Da wird "plötzlich" die Furcht vor Apples Zorn erdacht und schließlich geht sogar der "Kultstatus" flöten, in einem auf geschlagene fünf Seitenaufrufe gestreckten Artikel (Link zur Druckversion):
«Überfüllte Läden, protzende iPhone-Besitzer, spinnende 999-Euro-iPhones, Sicherheitsprobleme: Die Kultmarke Apple verspielt mit wachsendem Erfolg ihren Ruf», so der Anreißer. Natürlich hören wir im weiteren Artikel -wie so oft- nichts mehr von "überfüllten Läden" (ein MASSIVES Problem für sämtliche Unternehmen, wie jedes Kind weiß) sowie "protzenden iPhone-Besitzern" und warum Apple plötzlich nicht mehr den Kultstatus (wie noch in der Überschrift), sondern den Ruf verliert, bleibt wohl ebenfalls das Geheimnis der Autoren.
«Apple, der kleine, missachtete, elegante, alternative, elitäre aber freundliche Gegenspieler der bösen Computerriesen – das war einmal.» Stimmt, das war einmal, vor mehr als 20 Jahren.
«Apple ist zum Massenprodukt geworden. Und plötzlich hat jeder was zu meckern: Technik-Blogger, Computerpresse, Sicherheitsfirmen, Programmierer und natürlich enttäuschte iPhone-Käufer.» Viel Erfolg beim Kauf dieses nirgendwo erhältlichen Massenprodukts 'Apple'. Aber ja, natürlich, der iPod ist längst ein Massenprodukt, der Mac letztendlich ebenso und das iPhone auf dem besten Weg dorthin. Zu meckern hat auch niemand "plötzlich" etwas, sondern seit Jahren schon wird (an)ständig genörgelt. Online-Alltag übrigens für jede nur halbwegs größere Marke. «Nur kommt bei Apple hinzu, dass die Marke (jahrelanger Slogan: "Think different") sich einfach nicht so richtig mit Massenzuspruch verträgt.» Nein? Nur warum nicht? Eine Begründung bleibt aus, dafür geht das lustige Zitieren los. Als erstes muss Mike Elgan ran, in dessen Welt Apple durch den Zune in seinen Grundfesten erschüttert wurde (Kostprobe: «The Zune is social and viral») und der mit seinem Artikel über den Apple-Fanboy-Alptraum offensichtlich Pate für den SPON-Artikel stand und die folgende Beweiskette eröffnet - «SPIEGEL ONLINE dokumentiert Apples Probleme mit dem Massenerfolg».

Diese beginnt mit den altbekannten und zur Genüge durchgekauten iPhone-Problemen (in Deutschland), die kaum etwas mit "Massenerfolg" aber sehr viel mit einer frischen Produkteinführung zu tun haben (und die bald überwiegend ausgeräumt sein dürften). Das "999-Euro-iPhone", eher ein T-Mobile- als Apple-Konstrukt, nimmt mehr als ein Drittel der "dokumentierten Probleme" ein, dicht gefolgt vom Thema Leopard und "prominenten IT-Bloggern" wie Dave Winer (der seinem Namen stets konsequent Ehre macht). Letzterem fehlt dabei jegliche Vergleichsbasis, da er weder 10.4.0, noch 10.3.0, noch 10.2.0, etc. überhaupt einsetzte. «In der Tat gab Apple zu, dass Probleme bei der Aktualisierung auftreten können – für die häufigsten wie den "Blauen Schirm" nach der Neuinstallation veröffentlichte der Konzern auch ausführliche Lösungshilfen.» Ein tatsächlich beliebtes Problem, das allerdings schlicht auf eine veraltete Version des tiefgreifenden Systemhacks APE zurückging.
«Kritik an Leopard kam auch von Sicherheitsexperten. Das Fachmagazin "heise Security" dokumentierte detailliert ein Sicherheitsproblem der ersten Leopard-Versionen: Dank deaktivierter Firewall waren die Rechner gegenüber Netzschnüffler völlig ungeschützt.» Das ist beim besten Willen kein neues Problem von Leopard (die Firewall in Mac OS X war und ist schon immer standardmäßig deaktiviert), gegen "Netzschnüffler" ist man dennoch nicht ungeschützt, da ebenso standardmäßig keine Dienste laufen. «Mit einem Update hat Apple hier nachgebessert». Auch das ist falsch, denn nach dem Update ist die Firewall weiterhin deaktiviert, lediglich die Nomenklatur wurde minimal überarbeitet.
«Und Apple wird an den selbst gesteckten Maßstäben seiner Werbeversprechen gemessen: Apple-Produkte funktionieren einfach. Blog-Star Robert Scoble hält Apple solch einen Werbespot vor, und fragt, warum er dann seine Videokamera nicht einfach anschließen könne.» Diesen Punkt muss man sich insbesondere auf der Zunge zergehen lassen, schließlich ist "Blog-Star" Robert Scoble, nicht nur Microsofts ehemaliges Blog-Aushängeschild, sondern in dem verlinkten Artikel geht es überhaupt nicht um eine Videokamera, die nicht an einen Mac angeschlossen werden kann: «I tried to turn on my video camera. They all instantly shut up and said “no video.” Why not? I dug a little more. It was because they all blamed themselves for the problems of their Macs and I think they also bought into the “Apple cult” which says that if you use a Mac you must be cool.» (wie von den SPON-Autoren vorgelebt, kann man sich die Lektüre von Scobles Artikel getrost schenken, eine Replik dessen wirrer Thesen zu Leuten, die per Mac-Kauf zu mehr Coolness gelangen wollen, findet sich bei Ryan Block) Nach derartigen Verdrehungen bleibt wohl nur noch der "erste Mac-Trojaner", der selbstverständlich längst nicht der erste ist. Erstaunlich genug, dass hier nicht plötzlich von einer Verhundertfachung der Mac-Viren die Rede ist.
«2008 werde das iPhone "Opfer eines größeren Angriffs werden", wahrscheinlich sogenannter "Drive-by-Angriffe". Darunter versteht man die Beeinflussung eines Rechners oder sogar die Infizierung eines Computers durch den bloßen Besuch einer verseuchten Webseite. Dass so etwas beim iPhone-Browser möglich ist, beweist die wohl beliebteste Methode, um Apples iPhone von der künstlichen Beschränkung der Software zu befreien: Sogenannte Jailbreaks ermöglichen es Besitzern, auf ihrem Apple-Handy Programme von Drittanbietern zu installieren. Inzwischen kann man das Apple-Handy sogar entsperren, indem man eine Jailbreak-Webseite aufruft – ähnlich einfach könnten auch bösartige Attacken funktionieren.» Stimmt, können sie, nur wurde besagte Sicherheitslücke längst mit Version 1.1.2 gestopft (und "entsperren" kann man das iPhone per "Jailbreak-Webseite" auch nicht). «Bereits im Juli hatten Programmierer der US-Sicherheitsfirma "Independent Security Evaluators" (ISE) behauptet, zwei Sicherheitslücken der iPhone-Software für Attacken ausgenutzt zu haben.» Stimmt ebenfalls und ebenso wurde diese Lücke längst beseitigt.
«Wenn ein US-Unternehmen Erfolg hat, werden Anwälte aufmerksam: Bislang hat Microsoft immer mit Sammel- und Patentklagen zu kämpfen. Jetzt ist Apple dran: Kunden ziehen wegen der nur gegen Service-Gebühr auswechselbaren Batterie und des plötzlichen iPhone-Rabatts vor Gericht.» Die Klagen gegen Apple in den vergangenen Jahren sind dermaßen unzählig, dass sich dies kaum unter "neu" abhaken lässt. «Aber auch Unternehmen versuchen es: US-IT-Riese Cisco hatte Apple schon wegen der iPhone-Namensrechte verklagt – sich aber später geeinigt. Nun versucht es die bislang unbekannte US-Firma Klausner Technologies: Angeblich verletzt Apple Klausners Patente mit seiner Mailbox-Abfrage.» Äußerst unbekannt diese Firma Klausner, die Apple bereits in den Neunzigern verklagt hatte und unlängst eigene Patentansprüche gegen AOL durchsetzte - alles folglich klare Zeichen vom neuen, plötzlichen Jetzt-Problem des 'Produkts Apple' auf dem Massenmarkt. Danke SPON für die Rückkehr zu alten Werten und einer einfacheren Welt.

Posted by Leo at 02:59 | Permalink

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verlinkt am 13.12.2007 10:59:47

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